Wie oft hast du in deiner Trauer schon gedacht, dass mit dir etwas nicht stimmt? Ich jedenfalls hatte mich fast täglich gefragt, ob mein Trauer-Verhalten denn noch „normal“ sei. In der Gesellschaft haben wir eine unnatürliche Vorstellung, was Trauer anbelangt und genau daher entwickeln sich diese Gefühle, nicht richtig zu sein. Erfahre 5 Dinge, die in deiner Trauer völlig normal sind – du wirst erleichtert sein, dies zu lesen!
Als meine Schwester starb und die Trauerreaktionen in meinem Körper ihren Lauf nahmen, war ich überfordert und hatte keine Ahnung, was Trauer bedeutet und wie ich damit umgehen soll. Fast täglich dachte ich: „Jetzt drehst du bald vollkommen durch, wirst ganz verrückt. Das kann doch einfach nicht normal sein.“ Doch fast immer sind genau dann deine Reaktionen in der Trauer normal und gehören zu einem gesunden Trauerweg dazu. Denn genau das meine ich mit dem Begriff normal – ein gesundes Verhalten, das zur Trauerbewältigung dazu gehört.
1. Spontane Heulkrämpfe und Gefühlsausbrüche
Trauerwellen können ziemlich heftig und intensiv sein – und sie kommen fast immer überraschend, aus dem Nichts und mit einer ordentlichen Wucht. Da stehst du mitten im Einkaufszentrum und der Kloß im Hals kriecht hinauf, die Atmung wird schneller, die Stimme bricht, die Tränen fließen. Was meistens überraschend aus dem Nichts ausgelöst erscheint, ist oft unbewusst getriggert – von einem Lied, einem Geruch, einem Wort, einem Gedanken. In einem Sekundenbruchteil wird dir bewusst und klar, was passiert ist und dass sich dein Leben nun vollkommen verändert hat. So schnell kommst du gar nicht gedanklich mit, während du schon mitten im Geschäft auf einer Trauerwelle surfst.
Die Häufigkeit der spontanen Wellen nimmt mit der Zeit ab, doch auch Jahre später können sie noch durch bestimmte Ereignisse ausgelöst werden und sind vollkommen normal. Surfbrett schnappen und auf jeder Welle surfen ist die Lösung und einzige Möglichkeit, dass sie auch wieder vergehen wird.
2. Selbstzweifel über das eigene Handeln und Verhalten
In der Trauer beginnen wir an allem und jeden um uns herum zu zweifeln, aber vor allem an uns selbst. Wir (er)kennen uns selbst in unserem Verhalten nicht mehr und denken: „So bin ich doch nicht, was ist bloß mit mir los?“ Trauer ist ein Ausnahmezustand, also entsprechen auch unser Verhalten und unsere Handlungen nicht der Regel, sondern sind Ausnahmen. Das ist vollkommen normal und du musst dich selbst erst wieder neu kennenlernen, deinen Platz finden in dieser neuen Lebenswelt mit dem Verlust. Manches von diesem neuen Verhalten wird sich einbürgern als eine neue Normalität, anderes wird wieder vorbeigehen.
Ich war zum Beispiel immer ein Mensch, der gerne mit anderen Menschen zusammen war, doch mit dem Tod meiner Schwester veränderte sich das und ich zog mich zurück, war gerne für mich. Heute bin ich wieder gerne unter Menschen und genieße gleichzeitig aber mehr Rückzug und Ruhephasen, als früher. Ich brauche sie häufiger, weil sich meine Belastungsgrenze verschoben hat. Das ist okay so und ich konnte das mittlerweile gut annehmen.
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3. Körperliche Schmerzen
Gefühle entstehen im Gehirn und mit dem Ausstoßen unterschiedlicher Hormone erzeugen sie körperliche Reaktionen. Es ist also vollkommen normal, dass du deine Trauer in allen Zellen deines Körper spürst und wahrnimmst. Du wirst Schmerzen haben an Stellen, die du vorher gar nicht wahrgenommen hast und oft Gedanken haben wie: „Oh Gott, ich werde/bin krank und sollte das mal abklären lassen.“ Viele glauben einen Herzinfarkt zu bekommen bzw. leiden unter Herzstechen, oder Halsschmerzen und einem Engegefühl im Brustkorb, Muskelverkrampfungen und Verspannungen.
Immer alle Symptome medizinisch abklären zu lassen – In den meisten Fällen jedoch wird nie etwas gefunden und du kannst davon ausgehen, dass es die Trauer ist, die sich ihren Weg durch den Körper bahnt. Wenn wir ihr genug Raum und Zeit geben, lindert das die körperlichen Reaktionen. Unterdrücken oder ignorieren wir sie hingegen, verschlimmern sich die Symptome. Deshalb bezieht SeelenSport® den ganzen Körper mit ein und arbeitet nicht nur über Gespräche!
4. Vergesslichkeit und Versiertheit
Aufgrund dessen, dass unser Fühlhirn viel stärker durchblutet und aktiviert ist, funktionieren die restlichen Hirnbereiche etwas eingeschränkt. Du kennst vielleicht Momente im Alltag, wo du nicht mehr weißt, was du gerade tun wolltest, welcher Tag heute ist oder wann welcher Termin nochmal stattfinden sollte. Du vergisst häufiger auch Begriffe, die vorher alltäglich waren und kannst keine geraden Sätze mehr rauskriegen. Alles vollkommen normal. Deine Aufmerksamkeit wird nun beim Fühlen und Trauern gebraucht. Auch das wird sich wieder verbessern und verändern, wenn deine Trauer genug Raum bekommt.
5. Die ständige Frage nach dem Warum
Wieder und wieder stellst du dir die Frage nach dem warum – warum sie/er/es/mir etc., warum jetzt… Doch du bekommst keine Antwort. Trotzdem gibt dein Kopf nicht auf und fragt dich erneut und erneut. Das kann ziemlich anstrengend und zermürbend sein und ist vollkommen normal. Wir Menschen brauchen oft einen Sinn, einen Grund dahinter, der uns hilft anzunehmen. Was wir nicht verstehen und nachvollziehen können, können wir schwerer realisieren und annehmen.
Du wirst nie eine Antwort von außen bekommen und wahrscheinlich auch nie eine, die dich zu 100% zufriedenstellen wird, aber du selbst kannst dir deine eigenen Antworten kreieren und geben. Mir hat dabei das niederschreiben geholfen, um Antworten in mir zu finden.
Von außen durch verletzende Sätze und Ratschläge bekommen wir verstärkt das Gefühl etwas stimmt nicht mit uns und unserem Trauerweg. Aber ich möchte dir nochmal versichern: Du bist normal und gut so, wie du bist und deine Trauer lebst!
Möchtest du noch mehr zu diesem Thema hören? Dann hör dir unseren Podcast Trauerwelle an. In der folge #35 gehe ich auf die Frage ein, die sich viele Trauernde stellen: „Bin ich denn noch normal?“ Ich teile fünf typische Situationen und Verhaltensweisen, die dir möglicherweise vertraut sind, und zeige dir, wie du gesund mit diesen Gedanken umgehen kannst. Hör gerne rein, wenn du dich in der Trauer manchmal auch so fühlst, als würdest du in einer fremden Welt leben.
Was hast du bereits in deiner Trauer erlebt, bei dem du dich gefragt hast, ob das noch normal ist? Schreib deine Erfahrungen gerne in den Kommentaren!
5 Antworten
Liebe Katy, danke für Deine Mail und den 5 Punkten. Ja mein Leben hat sich durch den Tod meiner Schwester total verändert und es treffen viele Punkte zu, die Du beschrieben hast.
Die Wellen der Trauer sind oft nicht auszuhalten und die Absolutheit des Todes.
Tut gut sich nicht allein zu fühlen mit all dem Schmerz.
Grüsse
Rurh
Liebe Ruth,
du bist nicht allein und wir senden dir ganz viel Liebe, Kraft und Zuversicht für deinen (Trauer)Weg. Fühl dich ganz fest umarmt und alles Liebe für dich!
Herzliche Grüße,
Stefanie vom SeelenSport Team
Hallo, liebe Kathy,
habe deine Trauerseite „zufällig “ entdeckt, und sie hat mich ein wenig aufgemuntert. Im letzten Jahr habe ich meine Mutter verloren, und die ersten Monate habe ich Erleichterung darüber empfunden, dass sie nun ihre Ruhe gefunden hat. Sie war meine grosse Freundin, mein Vorbild, mein Ein und Alles, aber die letzten Jahre waren sehr hart für sie. Dann, im Septembre fingen die ersten Anzeichen an, meine Trauer bekam Luft sich auszubreiten. Es war ein sehr harter Winter für meine Seele. Alles wurde schwer. Panikattacken, Angstzustände, Depression … Ich denke, dass es irgendwie so sein muss. Sie fehlt mir, ihre Stimme am Telefon, ihre Liebe. Heute bin ich Waise, denn mit 64 Jahren kann man sich als Waise fühlen. Mein Vater ist vor meinen Augen gestorben, ich war 14. Mein Bruder starb vor 20 Jahren, mein Schwiegersohn starb mit 28 Jahren. Das alles hinterlässt tiefe Spuren. Psychotherapie, Hypnose, EMDR, Atemübungen sind hilfreich. Trauer braucht seine Zeit. Heute akzeptier ich den Schmerz, aber es tut immer noch sehr weh. Mit freundlichen Grüssen, Andrea aus Frankreich
Liebe Andrea,
vielen lieben Dank für deine Offenheit und dass du deine Geschichte mit uns teilst. Das zu lesen ist sehr berührend und wir wünschen dir auf deinem Trauerweg ganz viel Liebe, Kraft und Halt. Wie du schreibst, braucht Trauer Zeit und alle Gefühle dürfen sein. Nimm dir Zeit und pass gut auf dich auf. Wir fühlen mir dir und senden dir eine liebevolle Umarmung nach Frankreich.
Liebe Grüße, Stefanie vom SeelenSport Team
Vielen Dank für eure so liebe und einfühlsame Antwort. Ich glaube, dass die Verluste in unserem Leben, ob Mensch, Tier oder Dinge immer wieder tiefe Spuren in unseren Seelen und Gedanken hinterlassen. Irgendwann, wenn es zu viel ist, wenn man denkt : das schaffe ich nicht mehr, das ist ein Quäntchen zu viel, daran gehe ich kaputt, wäre es wichtig darüber austauschen zu düfen. Daher finde ich Katys Seite sehr wichtig. Danke und bitte weiter so. Trauer erreicht uns jeden Tag. Herzliche Grüsse aus Paris. Andrea