Vatertag ohne Papa – Gastartikel von Marina Schüssler

In Österreich haben wir immer Anfang Juni Vatertag. Mein Vater lebt noch. Doch eine meiner Schwestern musste sterben. An jedem Vatertag fehlt sie an unserer Seite. Und dennoch ist sie da, in jedem Lächeln von uns, in den Erinnerungen, die wir teilen und in der Lebendigkeit der Natur. Weil auf meiner Seite aber auch viele sind, die ihren Vater verloren haben, suchte ich mir eine liebe Kollegin, die ihren Papa ebenfalls vermisst. Dieser Gastartikel stammt also aus ihren Händen und ihrem Herzen. Vielleicht kann er auch dir Trost schenken, wenn du deinen Papa vermisst.

Für den besten Papa der Welt

Das Koffer packen fällt mir tatsächlich ziemlich schwer. Und das obwohl ich mich total auf Berlin freue. Auf alles was kommt. Das neue Leben, das dort auf uns wartet. Mit neuen Gefühlen und Chancen und Herausforderungen. Ich merke schon länger, dass es an der Zeit ist, mich wieder neuen Aufgaben zu stellen. Und ein Ortswechsel wird mir da hilfreich sein. Bevor ich gehe, schaue ich nochmal alle Kisten durch, die ich zurück lasse, bei Mama. Hier stören sie niemanden und ich kann mit leichtem Gepäck ausziehen und altes erstmal zurück lassen. Aber, ob da nicht doch noch etwas Wertvolles versteckt ist, möchte ich trotzdem nochmal checken.

Und da habe ich sie in der Hand. Die Postkarte. Auf ihr abgebildet sind zwei paar Füße. Ein großes Paar und ein kleines Paar. Über den Zehen steht in liebevoller Schrift: „Für den besten Papa der Welt“. Ich habe sie damals gekauft, um sie dir zum Vatertag zu schenken, Papa. Mit einem schönen Blumenstock. Du liebst ja Blumen so sehr. Aber meine Schusseligkeit hat´s mir versaut. Ich hab die Karte irgendwo hingepackt und sie nie wieder gefunden. Bis heute. Und der Gedanke, der mir sofort durch den Kopf schießt: „Tzja zu spät.“

Denn Papa verstarb vor zwei Jahren. Wenige Tage nach unserem letzten Vatertag. Wir waren ein fettes Eis essen. Mit Mama und Freund André. Die Sonne schien und es fühlte sich alles so wunderbar an. So perfekt und leicht. Wir fuhren Fahrrad. Lachten. Unterhielten uns. Und waren einfach da. Leichtfüßig und gut gelaunt. Kennst du diesen Seufzer, bei dem man die Augen leicht schließt und einfach spürt, wie wundervoll alles gerade ist. Mit diesem Seufzer würde ich diesen Tag beschreiben. Ein Tag der mir ewig in Erinnerung bleiben wird. Nicht, weil wir etwas ganz besonderes gemacht haben.

Weil es unser letzter Vatertag gemeinsam war. Unsere letzte gemeinsame Unternehmung. Papa, ich glaube, du erinnerst dich auch oft daran zurück und bist glücklich darüber. Auch ohne Karte. Auch, wenn ich dir nicht gesagt habe, dass du der beste Papa der Welt bist.
Auch wenn ich die Karte verschlampt habe. Und sie dir nie geschenkt habe. Heute schenke ich dir immer noch Blumen zum Vatertag, zum Geburtstag, zu Weihnachten, zum Todestag, wenn etwas ganz besonderes in meinem Leben passiert ist, und wenn ich einfach Sehnsucht habe nach dir.

An solchen Tagen besuche ich dich immer auf dem Friedhof. Wünsche dir einen tollen Tag, wo auch immer du gerade bist. Und stelle mir vor, wie du ganz klein auf dem Ast über deinem Grabstein sitzt und mich mit baumelnden Beinen angrinst und stolz auf mich bist. Stolz auf mich, weil ich deine Tochter bin. Stolz darauf, dass wir alles so gut meistern. Obwohl es so hart ist ohne dich. Stolz auf Mama, die nie aufhört zu kämpfen. Stolz auf deine Söhne, die immer ihr Bestes geben. Stolz auf deine Familie, die weitermacht. Auch wenn es sich manchmal so anfühlt, als ginge das nicht. Auch wenn wir alle manchmal am liebsten aufgeben würden.

Aber dann erinnere ich mich wieder an dein Lächeln. Deinen lieben Blick. Und wie sehr du uns geliebt hast. Und weiß, es geht weiter. So lege ich die Karte wieder in die Kiste zurück und freue mich schon auf das nächste Mal, wenn sie mir „zufällig“ in die Hände fällt. Um mich an einen wunderschönen Tag in unserem Leben zu erinnern. Papa, ich ziehe nach Berlin, um mein Leben wieder in die Hand zu nehmen. Und ein Teil von dir geht mit mir. In meinem Herzen.

Und auch dort werde ich dir Blumen schenken. Zum Vatertag, zum Geburtstag, zu Weihnachten, zum Todestag, oder wenn ich einfach Sehnsucht nach dir habe. Und ich sehe dich schon jetzt oben auf der Wolke sitzen. Mit baumelnden Beinen und einem schelmischen Grinsen. Wie stolz du auf mich bist. Und dankbar für unseren letzten gemeinsamen Vatertag.

Heute weiß ich, du kennst die Karte. Denn all diese Dinge, die mir zufällig in die Hände fallen, wenn ich irgendwo deinen Namen lese. Wenn mir ein Geruch in die Nase steigt, der mich an dich erinnert. All das bist du. Um mir zu sagen. „Ich bin hier. Ich bin immer noch bei dir. Auch wenn du mich nicht sehen kannst. Aber ich sehe dich. Und bin stolz auf dich. Und mache mich so bemerkbar.“


Liebe Trauernde, lieber Trauernde. Ich bin Marina und habe vor zwei Jahren meinen Vater verloren. Das war eine kleine Passage aus meinem Leben, als trauernde Tochter. Und eines möchte ich dir gerne sagen. Von Herz zu Herz:

Bitte gib nicht auf. Egal wohin du gehst, dein Lieblingsmensch ist an deiner Seite und in diesem Herzen. Du bist nicht alleine.

Deine Marina


Marina Schüssler

Marina Schüßler – Coach für Trauernde

Ich begleite Menschen auf ihrem Weg zurück ins Leben
Meine Webseite: www.marinaschuessler.de
Podcast: Zurück ins Leben – Dein Podcast über das Leben UND den Tod
Instagram: @marinaschuessler

Fotos: Pixabay und Marina Schüssler


Wie hast du deinen Vatertag ohne deinen Papa verbracht? Was tut dir gut an solchen Tagen? Teile es mit uns in den Kommentaren.

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Vatertag

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