Wir haben Ende Oktober, die Tage werden kürzer und die Temperaturen sinken zunehmends Richtung Gefrierpunkt. Die meisten jungen Menschen denken an Halloween und vielleicht auch schon an Glühwein und Weihnachtsmärkte. Doch als Trauernde(r) steht ein ganz besonderer Tag bevor: Allerheiligen.
Auf den Friedhöfen sieht man in den Wochen und Tagen davor wie Menschen die Gräber der Verstorbenen schön herrichten. Wenn ich das beobachte gibt mir das manchmal den Schein, als stünde ein Wettkampf um das schönste Grab bevor. Besonders dann, wenn man aus kleinen Orten kommt, so wie ich und jeder jeden kennt. Das bringt mich ein bisschen zum Schmunzeln. Für manche Trauernde bedeutet Allerheiligen ein Fest der ehrenvollen Erinnerung an unsere Verstorbene, für andere jedoch eine Qual, ganz besonders dann, wenn der Tod gerade erst kürzlich vorbei geschaut hat.
Mein 5. Allerheiligen (2017) steht nun an, ein Grund mehr hier meine persönliche Meinung, meine Erfahrung auch für dich als Trauerne(r) nieder zu schreiben und weiter zu geben.
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Allerheiligen ist ein katholischer Brauch, der ursprünglich gedacht war den Heiligen zu gedenken. Heute allerdings stehen die Toten im Vordergrund. Und mit ihnen allerdings noch mehr die Lebenden. Denn sie sind es, die an den Gräbern stehen, weinen, beten, sich an die Zeit dankbar zurück erinnern und ihrer eigenen Sterblichkeit wieder bewusst werden. Früher war das einfach nur ein Feiertag für mich, der bedeutete frei zu haben und ausschlafen zu können. Doch mit dem Tod meiner Schwester im Jahr 2013 änderte sich dies plötzlich. Sie starb am 14. September. Bis zu Allerheiligen verging also kaum Zeit. Es gab noch nicht wirklich einen tränenfreien Tag zu dieser Zeit.
Für mich fühlte sich das erste Allerheiligen an, als müsste ich mir die Blöße vor all den anderen Menschen geben. Als würde ich nackt vorgeführt und ausgepeitscht werden.
Obwohl ich von all den Trauernden umgeben war und diese ja sogar selbst den Schmerz und die Trauer kannten, fühlte ich mich dennoch in meiner eigenen Trauer entblößt. Eine Ursache hierfür war, weil ihr Tod noch nicht allzu lang her war, aber noch viel mehr, weil dieser ein so öffentlicher war und beinahe jeder Mensch aus diesem Ort an der Beerdigung teilgenommen hatte. Und plötzlich musste ich so kurze Zeit wieder hier stehen und wurde wieder von all den Seiten angestarrt. Zumindest fühlte sich das aus subjektiver Perspektive so an. Dabei kam es mir vor, als würde ich in meiner Trauer und meinem Fortschritt darin geprüft werden, sogar wenn das vielleicht nicht der Realität entsprach. Dabei glaube ich, dass man sich das automatisch selbst aufbürgt, einfach aus der eigenen gesellschaftlichen Entwicklung heraus.
Doch warum musste ich denn dorthin? Niemand hat mich offen dazu gezwungen. Aber es ist nun mal ein Brauchtum und das tut man halt so, wenn jemand gestorben ist. Oder vielleicht nicht? Dann geht man eben nun mal an Allerheiligen zum Grab. Oder nicht? Denn, wie bitte schaut das denn aus, wenn da ein Familienmitglied nicht hingeht? Das sieht doch dann jeder. Und dann wird wieder geredet. Kennst auch du dieses Gefühl?
Brauch hin oder her – Deine Regeln. Deine Trauer. Dein Schmerz.
Wenn der geliebte Mensch soeben erst verstorben ist, und du dich in deiner Trauer noch ziemlich erdrückt und schwer fühlst und innerlich eigentlich weißt, dass dir dieser Besuch beim Grab an Allerheiligen nicht gut tut, dann solltest du auf dich und dein Herz hören. Du wirst ohnehin oft genug deine Gefühle in Zaun halten, schnell funktionieren und deine Trauer leider viel zu oft verstecken müssen, wenn es nach den gesellschaftlichen Regeln geht.
Ja an diesem Tag ist es Brauchtum dorthin zu gehen. Aber es ist deine Trauer und dein persönlicher Umgang damit, und das kann dir niemand vorschreiben. Denn auf diesem Trauerspielfeld herrschen nun mal nur deine Regeln und sonst keine. Lass dir nichts einreden oder dich überreden, auch wenn deine Verwandtschaft sich hier sträubt und darauf besteht. Sie dürfen nach ihren eigenen Regeln spielen. Wenn du hergehen und sie dazu zwingen würdest nicht daran teilzunehmen, dann würden sie sich ebenfalls bedrängt fühlen. Und gerade in unserer Trauer sollte das nicht passieren. Und doch tut es das, weil so viele Menschen sich nur an gesellschaftliche Regeln halten, anstatt in ihr eigenes Herz reinzuhören und diesem zu folgen. In deiner Trauer ist einfach wichtig, dich selbst wahrzunehmen und zu erkennen, was dir gut tut und was du wirklich brauchst.
Im zweiten Jahr war ich nicht an Allerheiligen zugegen. Ich konnte und wollte es nicht und habe auf mein Herz gehört. Ohnehin war ich zu dieser Zeit nicht bereit das Grab zu besuchen, was sich über 1,5 Jahre erstreckte. Die Angst vor einem Zusammenbruch, vor dem Schmerz, der so schon kaum auszuhalten war, hielt mich davon ab.
Nimm dir Zeit und mach es zu deinem Fest der Liebe
Irgendwann fühlte ich mich dann endlich bereit und mit jedem Allerheiligen wurde es leichter. Je mehr Zeit vergangen ist und ich auch Tage hatte, in denen ich ohne Tränen und mit ganz viel Lachen wieder durchs Leben gehen konnte, desto eher war ich fähig auch alle anderen Trauernden an diesem Fest der Sterblichkeit wahrzunehmen.
Allerheiligen half mir zunehmends zu erkennen, dass ich nicht alleine in meiner Trauer bin. So viele Menschen, an den Friedhöfen stehend, die geliebte Menschen gehen lassen mussten und jeden Tag mit diesen Verlusten zu kämpfen haben. Dieses Gefühl der Gemeinsamkeit stärkte und motivierte mich weiter zu machen. Obwohl ich noch immer an diesem Tag damit haderte meinen Schmerz zulassen zu können, wenn ich vor dem Grab dann stand. Ich unterdrückte ihn deshalb, was mich viel an Kraft gekostet hat. Wieder aus Angst mir eine Art von Blöße zu geben. Doch in Wahrheit sollte es dir egal sein, was alle anderen darüber denken.
Deshalb möchte und werde ich dieses Jahr (2017) hingehen und tief in mich hineinhören, während ich bei meiner kleinen Schwester stehe, und annehmen, egal was dann kommt. Und ich werde es zeigen. Egal, ob es ein Lachen, ein Schluchzen oder ein stilles Weinen ist. Ich werde es nicht mehr wegdrücken. Trotzdem kann ich jeden einzelnen verstehen, der lieber seine Trauer im Stillen raus lässt. Wie gesagt, jeder nach seinen Regeln und seinem Herzen.
Außerdem hat mir Allerheiligen immer wieder in Erinnerung gebracht, dass wir alle sterbliche Wesen sind und früher oder später selbst dort liegen werden. Und weil wir nicht wissen wie viel Zeit an Leben wir jeden Tag haben, sollten wir diese auch ordentlich mit den geliebten, lebenden Menschen um uns herum genießen oder mit Taten, die uns glücklich machen.
An Allerheiligen haben wir als Familie daher eingeführt, danach gemeinsam essen zu gehen und diesen Tag zu unserem Fest der Liebe zu machen. Letztes Jahr (2016) war für mich eines der schönsten Allerheiligen. Das passierte also nicht von heute auf morgen. Viele Jahre in Schmerzen, mit Höhen und Tiefen und das Durchgehen aller Gefühle haben mich dazu gebracht mich heute, hier und jetzt auf kommendes Allerheiligen freuen zu können. Auf dankbare, schöne und wertvolle Erinnerungen an meine verstorbene Schwester. Auf lachende Momente mit meinen zwei lebenden Schwestern. Auf tolle Gespräche mit meinen Eltern. Auf lebendige und lustige Spiele mit meinem kleinen Neffen. Auf einen Tag voller leben, lachen und lieben!
Allerheiligen 2019
Dieses Jahr schaut anders aus. Viel ist wieder passiert und ich werde dieses Allerheiligen nicht am Grab verbringen. Stattdessen werde ich mein erstes Buch „Larissas Vermächtnis“ fertig verbessern, sodass es pünktlich abgegeben werden kann. Ich werde mich also mit dem Schreiben darüber befassen, einer meiner größten Leidenschaften neben dem Sport. Meine Familie habe ich bereits das Wochenende davor besucht. Und genau das meine ich: Mach das, was dir gut tut, was dich glücklich macht und erfüllt.
Nun bist du an der Reihe: Was machst du dieses Jahr zu Allerheiligen und wie geht es dir an diesem Tag?