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#metoo – Wenn sexuelle Gewalt Trauer auslöst

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In den letzten Tagen ist beinahe jeder von uns in den sozialen Medien auf den Hashtag #metoo gestoßen. Eine Kampagne, deren Ursprung bereits über 10 Jahre zurück liegt und von der Aktivistin Tarana Burke ins Leben gerufen wurde. Durch den Skandal um den Filmproduzenten Harvey Weinstein, der zahlreiche Frauen sexuell belästigt haben soll, wurde die Aufmerksamkeit auf diese traurige Thematik wieder zum Vorschein gebracht. Und beinahe jede Frau, die den #metoo gesehen hat, wurde dadurch mit ihrer eigenen Erfahrung bezüglich sexueller Gewalt erneut konfrontiert. So auch ich.

Die Schauspielerin Alyssa Milano hat vor einigen Tagen auf Twitter dazu aufgefordert, durch Teilen des Hashtags #metoo noch mehr auf die Thematik aufmerksam zu machen.

Meine persönliche Geschichte

Nachdem auch ich all diese Hashtags gesehen habe, erinnerte ich mich an meine persönliche Geschichte zurück. Ich habe kaum jemandem davon erzählt und sogar viele meiner engsten Freunde wissen darüber nicht Bescheid. Ich habe mich lange Zeit geschämt. Aber mit dieser Kampagne und gerade, weil ich einen Blog über offene Trauer schreibe, ist nun die Zeit gekommen, auch dieses Erlebnis offen zu legen. Vor allem, um zu zeigen, dass DU dich NIEMALS dafür schämen musst und DICH keinerlei Schuld trifft!

Damals, als ich 20 war und in Berwang in einer Apres Ski Bar gearbeitet habe, wurde auch ich erstmals mit sexueller Gewalt konfrontiert. Es war Ende der Saison und wir hatten nicht mehr viele Gäste im Haus. Der Schnee begann zu schmelzen und die Tage wurden wärmer. Es war Wochenende und um die Mittagszeit, als ein Bierlieferant vor die Bar fuhr und herein spazierte. Er traf sich mit meinem Chef, um die Lieferungen zu besprechen. Ein Mann um die 40, freundlich und nicht besonders auffallend. Als das Gespräch beendet wurde und mein Chef die Bar verließ, blieb der Lieferant noch eine Weile hier, um ein Glas Sekt zu trinken. In einer Apres Ski Bar fast normal um diese Uhrzeit ein Gläschen zu trinken, zumindest als Gast. Er unterhielt sich mit mir, zuerst normal freundlich, nach und nach kamen Komplimente hinzu. Nichts Schlimmes. Als er aber dann anfing mich mit seiner Tochter zu vergleichen und vielmehr noch begann mich nach meinen sexuellen Vorlieben auszufragen, begann ich mich regelrecht unwohl zu fühlen. Ein Mann, der mein Vater sein hätte können. Ich ekelte mich und versuchte die Fragen weitgehend zu umgehen und ihn zu ignorieren. Leider waren noch immer keine Gäste in der Bar, sodass ich mich von ihm abwenden hätte können. Deshalb begann ich den oberen Stock der Bar aufzuräumen.

Beim Hinunterklettern an der Leiter, kam er an mich heran und bot mir seine Hilfe an, die ich ablehnte. Und trotzdem griff er mir unter die Arme und weiters noch an meine Brüste und zog mich nach unten.

Was bitte ist hier gerade geschehen. Ich konnte das kaum fassen. Das erste Mal in meinem Leben war ich mit solcherlei Tat konfrontiert. Ich war sprachlos, perplex und ängstlich. Nachdem ich ihm erklärte, dass ich etwas vom Haus gegenüber holen musste, flüchtete ich nach drüben, in der Hoffnung dort meine Chefin in ihrer Wohnung anzutreffen. Diese war im ersten Stock. Ich stand oben und klopfte wie wild, als plötzlich dieser Mann hinter mir stand und mich anzuschreien begann, was ich hier mache und ob ich jetzt jemanden holen wollte. Ich versuchte mich raus zu reden und wir gingen die Treppen hinunter. Unten erblickte ich die Toilette und wusste in dem Moment nichts anderes, als mich dort hinein zu fliehen. Ich schloss die Türe und saß weinend am Boden. Er wartete vor der Türe, immer wieder widerliche Aussagen von sich gebend. Über eine halbe Stunde später hörte ich nichts mehr von ihm und überlegte raus und in ein Lokal nebenan zu laufen. Doch als ich die Türe öffnete, schoss er um die Ecke in die Toilette rein und drückte mich an die Wand. In den folgenden Momenten und Minuten fühlte ich mich wie gelähmt, betäubt, angsterfüllt, beschämt, ekelhaft.

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In diesem Moment verlor ich die Macht über meinen eigenen Körper. Eine Art des Verlustes, die ebenfalls den ganzen Topf an Trauergefühlen mit sich bringt.

Bevor er jedoch die beabsichtigte Vergewaltigung durchziehen konnte, öffnete sich glücklicherweise die Eingangstüre des Hauses. Er ließ sofort von mir ab, lief nach draußen und fuhr davon. Ich war derart schockiert über das Geschehene, dass ich meine Gefühle nicht wirklich sortieren konnte. Außerdem war ich dermaßen verunsichert und schämte mich, dass ich anfangs nichts davon melden wollte geschweige denn anzeigen. Und genau das ist das Problem, auf das so viele der Opfer immer wieder stoßen und warum so wenig Fälle dann doch angezeigt werden:

Nachdem ich meiner Familie erzählt habe, was geschehen war, standen diese sofort hinter mir und mein Vater half mir dabei, den Vorfall bei der Polizei zu melden. Mein Chef war, wie erwartet, wenig begeistert. Er wollte das nicht und spielte den Vorfall herunter. Die Verhandlung fand ein halbes Jahr später statt. Bei der Aussage vor dem Richter habe ich mich wie die Täterin gefühlt und nicht wie das Opfer. Jede kleinste Aussage über die einzelnen Handbewegungen von damals wurde genau mit den Aussagen bei der Verhandlung verglichen.  Ich verstehe die Hintergründe, und doch hat es sich in diesem Moment einfach beängstigend und beschämend angefühlt. Der Täter bekam 1,5 Jahre auf Bewährung.

Sei es dir wert!

Auch wenn der Gang zur Anzeige und die Verhandlung selbst schwierig war, haben sie mir ein Stück weit die Macht über meinen Körper zu bestimmen zurück gegeben. Es fühlte sich so an, als wäre ich aufgestanden und hätte gesagt #ichnichtmehr ! Deshalb rate ich jeder betroffenen Frau, sich zu wehren, sich Hilfe zu holen und sexuelle Belästigung zur Anzeige zu bringen. Denn es ist DEIN Körper und du alleine bestimmst, wer ihn angreifen darf und wer nicht!

In den Momenten, als der Vorfall passierte, hatte ich keine Kraft Stopp zu sagen, weil mich die Angst lähmte, dass er mir noch Schlimmeres antun könnte. Ich glaube so geht es vielen Betroffenen. Deshalb achte ich seitdem drauf, mit einer gewissen Schärfe und Aggression von vornherein zu reagieren, sobald eine plumpe, widerliche Anmache seitens eines Mannes kommt. Nachdem meine Schwester dann durch die Hand eines Mannes sterben musste, hatte ich das Vertrauen vollkommen verloren und die Angst vor Männern begleitet mich bis heute noch. Mit Hilfe meiner Trainings und dem Aufbau der Muskulatur fühle ich mich zunehmends stärker, auch, wenn ich es sogar physisch im Vergleich oft nicht bin. Aber das Gefühl alleine verändert auch meine Ausstrahlung und meine Haltung, mit der ich diesen Männern entgegen trete. Und alleine dadurch passiert oft, dass wir uns aus der Opferrolle holen und für uns einstehen können. Niemand hat das Recht dich unsittlich zu berühren.

Das wirkliche Problem

Ist meines Erachtens die Haltung des Täters. Solange all diesen Menschen, Männer, als auch Frauen, ihre Taten nicht bewusst werden und sie sich nicht als falsch Handelnde sehen, wird nur wenig Veränderung stattfinden. Wir Opfer können darauf achten, uns selbst zu schützen, indem wir Selbstverteidigungskurse machen und dunkle Ecken meiden. Aber sollte denn nicht endlich was in den Köpfen der Täter passieren? Das wird es wahrscheinlich wenig. Täter sind selten einsichtig. ABER: Die Menschen, die solcherlei sexuelle Belästigungen und Situationen mitbekommen, und hier vor allem Männer, können aufstehen und helfen, dafür einstehen und sich einsetzen. Der Journalist Benjamin Law hat nun damit begonnen mit dem Hashtag #HowIWillChange einen Aufruf an alle Männer zu starten, sich Gedanken zu machen und Veränderung anzugehen.

Die Trauer dahinter

Wir alle wissen, dass bekannterweise der Tod Trauer mit sich bringt. Allerdings dürfen wir hier nicht all die anderen Arten des Verlustes vergessen. So wie eben diese besondere Art. Das Gefühl die Macht über seinen eigenen Körper zu verlieren ist schrecklich furchteinflössend und tut einfach weh. Es dauert bis du deinen Körper wieder annehmen, ihn wieder lieben und dir eingestehen kannst, dass du selbst keinerlei Schuld trägst. Wut und Ärger können lange Begleiter sein, aber auch furchtbare Angstzustände und Schlafstörungen können passieren. Wichtig ist, wie in jeder Trauer, dir ausreichend Zeit zu geben, hinzuhören und deine Gefühle anzunehmen. Und die Kraft zu entwickeln um zu sagen #ichnichtmehr!


Gibt es auch ein #metoo von deiner Seite? Welche Erfahrungen musstest du bereits hinsichtlich sexueller Gewalt machen? 

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