SeelenSport

Wenn dich die Trauer nicht einschlafen lässt – 5 Tipps

Kennst du das auch? Seit deinem Verlust lässt dich deine Trauer kaum noch erholsam schlafen. Du hast Probleme beim Einschlafen, aber auch während der Nacht wirst du immer wieder aus dem Schlaf gerissen. Am nächsten Tag fühlst du dich wie überrollt und du kommst kaum in die Gänge. Willkommen chronische Müdigkeit und Erschöpfung und ciao Schlaf. Ich kann dir die Trauer nicht nehmen, aber vielleicht ein paar Tipps geben, womit das Einschlafen wieder besser geht.

Ich habe bestimmt fast ein Jahr nach dem Mord an meiner Schwester unter Schlafmangel gelitten. Tagsüber hatte ich es oft geschafft mich mit Arbeit oder Uni abzulenken, was keinesfalls gesund war und ich dann ja auch geändert hatte. Genau deshalb war der Abend im Bett dann noch schlimmer. Denn plötzlich kamen die Gefühle in geballter Ladung daher, durchströmten mich gänzlich und meine Gedanken drehten sich nur noch um den Mord. Warum, wieso, weshalb und hunderte weitere Fragen beschäftigten mich dann. An Schlaf war nicht mehr zu denken.

Eine große Veränderung ergab sich dann durch den Beginn meines sportlichen Lebens. Die ersten Nächte konnte ich endlich schneller einschlafen und sogar durchschlafen. Doch ich war noch weit entfernt von einem gesunden, normalen Schlafverhalten. Ich begann mich damit zu beschäftigen und fand ein paar Strategien für mich, die mehr und mehr ihre Wirkung zeigten. Und diese möchte ich dir nicht vorenthalten!

Tipp 1: Bewegung

Was für eine Überraschung denkst du jetzt vielleicht. Tja ich fall gleich mit der Tür ins Haus. Wie gesagt, der (Seelen)Sport hat erstmals mein Schlafverhalten nachhaltig verbessert. Damit meine ich aber keinesfalls, dass du ab heute jeden Tag stundenlang trainieren sollst. Es beginnt in der regelmäßigen Bewegung und im Kleinen.

Jeden Tag 10-15 Minuten ein Beweglichkeitstraining, sanftes Muskeltraining und/oder ein Spaziergang von 30 Minuten reicht vollkommen aus für den Anfang. Damit du dir nicht selbst etwas zusammenstellen musst, habe ich für dich eine kleine Morgenroutine zusammengestellt, direkt zum Mitmachen:

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Vor dem Schlafengehen:
Wenn du ein Training am Abend machen möchtest, dann empfehle ich dir dieses mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen zu absolvieren. Außer es ist ein sanftes Beweglichkeitstraining, leichtes Dehnen etc. Das kannst du auch eine halbe Stunde vorher mit einer ruhigen Musik gut dazu verwenden, um den Organismus runter zu fahren und zu entspannen.

Tipp 2: Schreiben

Von Anfang an, hat mir das Schreiben geholfen meine Gefühle und Gedanken zu sortieren. Doch am meisten dann, wenn ich einschlafen wollte. Ich habe mir wortwörtlich alles von der Seele geschrieben. Vor allem die Frage nach dem Warum hat mich sehr beschäftigt. Darauf bekommen wir aber niemals eine wirkliche Antwort und müssen sie viel mehr in uns selbst finden. Das Schreiben hat mir dabei sehr geholfen.

Eines Abends vor dem Einschlafen habe ich folgendes nieder geschrieben:

Wollen wir es wirklich wissen oder kommen wir nur nicht mit der Ungewissheit klar, weil wir Menschen das generell so an uns haben ? Das Ungewisse macht uns Angst und lässt uns grübeln. Doch macht uns das Gewisse, das Sichere, das Detail nicht noch mehr Angst und lässt uns erschaudern ? Warum reicht uns die Tatsache allein nicht ? Warum müssen wir all das, was der Tatsache vorausgeht, so genau wissen, obwohl uns dies nur unnötig quält ? Der Tag, an dem ich die Tatsache erfuhr, war schrecklich. Der Tag, an dem ich den Verlauf beschrieben bekam, noch schrecklicher. Er fügte dem Schmerz noch Übelkeit und Albträume hinzu. Und dennoch wissen wir noch immer nicht jedes Detail, jede Minute. Und obwohl wir wissen, dass es uns weiter schädigen wird, streben wir nach dieser minütlichen Wahrheit. Warum also ? Weil der Mensch, der diese Wahrheit physikalisch mit all dem Schmerz durchleben musste, ganz allein damit war und wir genau diesen Menschen so sehr lieben, dass wir mit ihm fühlen wollen. Diese Pein der Wahrheit ist nur ein Millionstel von dem, was er erlebte. So tun wir es für Larissa, weil sie uns nicht egal ist, war und sein wird. Doch ist die traurige Wahrheit eine ganz andere : Nämlich, dass wir diese Wahrheit niemals wissen, diese Fragen niemals beantwortet werden und sie uns bis zum Lebensende quälen werden.

Aus Larissas Vermächtnis

Kaufe dir am besten ein Notizbuch und lege es auf dein Nachtkästchen. Sobald dich das Gefühls- und Gedankenchaos wieder packt, kannst du das Büchlein herholen und einfach drauf los schreiben, bis du dich ein bisschen erleichtert fühlst. Wenn du später diese Zeilen irgendwann lesen wirst, erkennst du wie weit du gekommen bist und wie groß du gewachsen bist.

Tipp 3: Fühlen

Du bist den ganzen Tag hindurch vielleicht mit vielen Aufgaben beschäftigt und hast keine Zeit für deine Trauer oder deine Gefühle. Vielleicht willst du sie dir auch nicht nehmen und dich lieber ablenken, was ich sehr gut verstehen kann. Dann ist es aber auch kein Wunder, wenn die Gefühle mit doppelter Wucht abends im Bett zuschlagen. „Endlich ist sie/er mal nicht am Start, sondern in Ruhe“, denken sich die kleinen Gefühlsmonster.

Ich habe selbst schnell lernen müssen, dass Gefühle ihre Berechtigung haben und gefühlt werden möchten. Nur dann werden sie sanfter zu dir und sie nehmen dich nicht mehr so ein. Wenn du dich ihnen verschließt, dann werden sie immer größer und bekommen mehr Macht.

Versuche dir während der Woche Zeiten zum Fühlen einzuräumen. Dann wo du alleine sein kannst und so sein darfst, wie du mit deinen Trauergefühlen bist. Ich kenne selbst die Ausrede, ich habe keine Zeit. Es liegt nicht am Zeitmangel, sondern meistens an unseren Prioritäten. Wenn du spürst, dass deine Angst vor den Gefühlen aber derart groß ist, dass du sie dir nicht alleine zutraust, dann hole dir Hilfe bei einer Trauerbegleitung oder Therapieeinrichtung.

Sobald du beginnst deine Gefühlsportionen häppchenweise am Tag abzubauen, werden sie dich am Abend im Bett weniger belasten und du wirst besser schlafen können.

Tipp 4: Ernährung

Was wir unserem Körper an Nahrung zuführen, hat genauso Einfluss auf unser Schlafverhalten. Schweres, fettiges Essen besonders spätabends liegt im Magen wie ein Stein und lässt den Organismus nicht angemessen runterfahren. Aber auch bestimmte Lebensmittel, die koffeinhaltig sind eignen sich nicht gut für den Abend. Und Alkohol schon gar nicht! Das war leider meine Strategie die ersten Monate, mich ins Koma zu trinken, aber es schadet nur und raubt dir am Ende den Schlaf.

Versuche abwechslungsreich und bunt zu essen, auch wenn es schwer fällt und du kaum Lust drauf hast etwas Gesundes in einer so schweren Zeit zu dir zu nehmen. Gerade jetzt braucht dein Körper Nährstoffe, um gut weiterzuarbeiten und die Kraft zum Trauern aufbringen zu können. Deshalb musst du nicht auf alles verzichten und ich kann soooo gut verstehen, dass es am Anfang einfach nicht machbar ist. Achte deshalb einfach vielmehr darauf bestimmte Lebensmittel hinzuzufügen, als auf Dinge zu verzichten.

Tipp 5: Umgebung

Schaffe dir ein wohltuendes und angenehmes Schlafambiente. Dort, wo du schläfst solltest du dich sicher und wohl fühlen können. Bei Todesfällen zb., die genau dort passiert sind, werden die Hinterbliebenen dann oft von Alpträumen gequält und kommen überhaupt nicht zur Ruhe. Ich weiß von vielen, dass ihnen geholfen hat, den Raum zu wechseln, auf die Couch abzuwandern für eine bestimmte Zeit oder das Zimmer umzugestalten und ein neues Bett zu besorgen. Andere jedoch fühlten sich dadurch besonders verbunden. Was dir hier weiterhilft, kannst nur du selbst spüren und wissen.

Licht:

Die Lichtverhältnisse im Raum sind ebenfalls wichtig für einen gesunden Schlaf. Ich habe immer gedimmtes Farblicht am Abend an. Je nach Gefühlslage hat es eine andere Farbe. Es lässt mich und meinen Körper ruhiger werden, angenehm müde und bereit für den Schlaf.
Achte hier auch darauf nicht bis spät im Bett aufs Handy zu starren. Das blaue Licht weckt uns wieder auf und zur Ruhe kommen wird dadurch schwerer.

Musik:

Ich höre manchmal auch einfach gemütlich auf dem Sofa entspannte Musik, wie etwa Klaviermusik von Melanie Minuit, die ich auch immer in meiner Entspannungseinheit beim Training verwende. Ruhige Musik kann den Körper aufs Schlafen gut vorbereiten und manche Gefühle ins Fließen bringen.

Meditation, Traumreisen:

Das hatte ich erst Jahre später für mich entdeckt. Zu Beginn inmitten des heftigen Gefühlschaos war sowas für mich gar nicht möglich. Meditationen machten mich nervös und die schlimmen Bilder in meinem Kopf wurden verstärkt. Da ist jeder anders unterwegs und ich würde es immer erstmal tagsüber austesten mit einer kurzen 5-10 Minuten Meditation. Ich selbst kann durch meine Gewalterfahrungen nur mit Frauenstimmen entspannen. Hierfür empfehle ich die wundervolle Nina Beste und ihre App Myditation.
Heute höre ich mir ihre Meditationen 3-4 Mal am Tag an und kann mir ein Leben ohne gar nicht mehr vorstellen. Es hilft vielen achtsam zu werden, sich auf die Atmung oder die gesprochenen Worte zu konzentrieren und damit auch gut einzuschlafen. Manche mögen aber auch Hörbücher lieber. Teste dich einfach durch!

Gerüche:

Es gibt Gerüche, die wir mit Erinnerungen oder schönen Orten verbinden. Ich liebe es, wenn es gut und angenehm durftet. Mein Bett besteht gänzlich aus Zirbe, ich trinke Abends oft Lavendeltee und habe einen kleinen selbst gemachten Aroma Roll-on Stick mit Düften aus den Bergen. Er besteht aus Ölen und ich streiche ihn mir immer mal wieder an die Innenseite der Handfläche. Du kannst sie aber auch fertig gemischt überall erhalten.
Gute Gerüche verhelfen dir auch in eine Entspannung zu gelangen, dich wohler zu fühlen im Raum, trotz der Trauer. Besonders dann ist es wichtig, dass wir uns eine wohlige Atmosphäre schaffen, wenn in uns drinnen gefühlt schon alles zerbricht.

Geduldig sein…

Leider muss ich dir sagen, dass keiner dieser Tipps von jetzt auf gleich funktioniert. Wir brauchen, wie so oft in der Trauer Unmengen an Geduld. Ja es würde schneller mit Tabletten gehen, aber ich weiß von vielen, dass es schwer ist wieder davon loszukommen. Manchmal dauert es bis zu Monaten oder Jahren bis wir wieder in einen guten Schlafrhythmus finden. Es ist nicht leicht, aber jeder Versuch von dir in Richtung liebevollen Umgang wird sich irgendwann belohnt zeigen. Gib nicht auf, auch wenn es oft noch so schwer ist.

Und ehrlich gesagt ist für die meisten gar nicht so das Einschlafen der schlimmste Moment, sondern viel eher das Aufwachen und innerhalb einer Sekunde zu realisieren, dass der Verlust deine neue Realität darstellt, denn mit ihm kommt immer sogleich der Schmerz.
Versuche nicht zu früh am Morgen Termine anzusetzen, sodass du noch Zeit hast für dieses Aufwachen und deine Gefühle und nicht schlagartig aus dem Bett springen musst. Stress fördert nur das Gefühlschaos und schwächt den Körper noch mehr.

Jetzt bist du dran: Falls du schon weiter bist und Methoden für dich entdeckt hast; Was at dir denn so geholfen beim Einschlafen? Schreibe es gerne in die Kommentare!

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